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Konzeption

Pädagogische Zielsetzung

Ziel unserer sozialpädagogischen Arbeit ist es, während des Aufenthaltes im EIDERHAUS neurotische Störungen und die daraus resultierenden auffälligen und nichtangepassten Verhaltensweisen so abzubauen, dass Kinder und Jugendliche lernen, sich in einer altersentsprechenden Form auch außerhalb des pädagogisch-therapeutischen Alltags am Leben in der Gemeinschaft zu beteiligen. Die dazu notwendige Erziehung muss sich sowohl an der Realität orientieren, um auf das “normale” Leben vorzubereiten, als auch den jeweiligen Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsdefiziten angemessen sein. Um dem Ziel der Selbständigkeit und Eigenverantwortlichkeit näher zu kommen, muss in aller Regel sowohl die individuelle Erziehungsplanung wie auch das gesamte Tagesgeschehen der Gruppe eine zunächst mehr oder weniger starke Fremdbestimmung beinhalten, um Schritt für Schritt Selbstbestimmung aufbauen zu können.

Ausgehend von tiefenpsychologischen Erkenntnissen über die Persönlichkeitsentwicklung und den daraus resultierenden Erfahrungen im Umgang mit Kindern ist es unser Ziel, die individuellen Defizite und/oder Störungen der Kinder und Jugendlichen im längerfristigen Forschungs- und Beratungsprozess festzustellen, zu verstehen und angemessene Hilfestellungen für den Heimalltag zu formulieren. Die Erwachsenen müssen in diesem Prozess Kinder und Jugendliche in zugewandter und verstehender Haltung begleiten, diese machen dabei die Erfahrung des grundlegenden Angenommenseins.

In der pädagogischen Arbeit soll ein Mindestkatalog an gemeinsamen Regeln und das Vorhandensein von geordneten, überschaubaren sowohl räumlichen wie zeitlichen und sozialen Strukturen den Kindern und Jugendlichen ermöglichen, sich mit den Anforderungen der Realität auseinanderzusetzen. Durch die Schaffung und Aufrechterhaltung eines “therapeutischen Klimas” sowie durch eine konstante und gesicherte emotionale und materielle Bedürfnisbefriedigung der Kinder und Jugendlichen ist sicherzustellen, nach Möglichkeit und innerhalb sinnvoller Grenzen bisher erlebten Mangel nachzuholen oder auszugleichen und die Kinder und Jugendlichen vor belastenden Erlebnissen zu beschützen, also einen gewissen Schonraum zu gewähren.

Die sozialpädagogischen Hauptaufgaben sehen wir darin, zusammen mit den Kindern und Jugendlichen im weitesten Sinne Mut zum Herangehen und zur Bewältigung der vor ihnen stehenden Lebensaufgaben zu entwickeln. Sie stellen sich im Kern als Beziehungsaufgaben und -fragen dar. Wir können die Aufgaben daher in folgenden Zielen zusammenfassen:

  • Die bei uns wohnenden Kinder und Jugendlichen benötigen die ständig erneuerte und wiederholte Bereitschaft, bisher erlebte Entbehrungen, Gewalt und Verwahrlosung mit ihnen aufzuarbeiten.
  • Die Kinder/Jugendlichen sollen die Erfahrung machen können, trotz evtl. problematischen Verhaltens gern gehabt, erwünscht und anerkannt zu sein. Sie haben Anspruch auf eine pädagogische Grundhaltung, die zwischen Tat und Täter unterscheidet.
  • Sie sollen die Möglichkeit haben, sich mit Bezugspersonen zu identifizieren, die Lernmodelle und Lernanreize für Bedürfnisbefriedigung und Konfliktlösung liefern.
  • Andererseits ist es notwendig zu lernen, sich schrittweise von Autoritäten abzulösen und ein eigenes Ich zu entwickeln.
  • Sie sollen die Erfahrung machen können, soziale Bindungen zu anderen Menschen eingehen zu können und die Vorteile eines in der Gruppe verwurzelten Gemeinschaftsgefühls kennen lernen.
  • Sie sollen gemeinsam mit anderen einer sinnvollen Freizeitbeschäftigung nachgehen können und die Förderung ihrer Kreativität erfahren.
  • Kinder und Jugendliche sollen für Entscheidungen im materiellen, sozialen und persönlichen Bereich Hilfen zur Orientierung erhalten, um Sicherheiten für eine schrittweise größer werdende Selbständigkeit zu erwerben.
  • Sie benötigen Bedingungen für die eigene sexuelle Reifung in Form der Anerkennung der gesamten Persönlichkeit, der bejahenden Beziehung zum eigenen Ich und Körper, in die Sexualität als ein Bestandteil der gesamten Persönlichkeit neben anderen integriert ist und in Form einer Identifikation mit dem eigenen Geschlecht und des Bekennens zur eigenen Geschlechtlichkeit sowie in Form der Auseinandersetzung mit den Geschlechterrollen.
  • Unsere Kinder und Jugendlichen benötigen starke, verlässliche und belastungsfähige persönliche Beziehungen als Voraussetzung für die Aufarbeitung traumatischer Erlebnisse, für die schrittweise Überwindung bisheriger Verhaltensschwierigkeiten und -schemata und für die Bildung eines Gewissens.
  • Sie sollen die Erfahrung machen können, Entsagungen und gesellschaftsbedingte Gegebenheiten einerseits kritisch hinterfragen und als möglicherweise veränderbare Größen begreifen zu können, andererseits solche aus Respekt vor den Bedürfnissen Anderer auch zu akzeptieren.
  • Sie sollen die Möglichkeit zum Aufbau eines ökologischen Verhältnisses zur Natur erhalten, die eigene Identität als Bestandteil eines größeren Ganzen begreifen lernen und Interesse und Wachheit für die Fragen, Aufgaben und Probleme unserer heutigen Zeit und Welt entwickeln.

Verhaltensauffälligkeiten, Verhaltensstörungen, seelische Belastungen und Defizite sowie Entwicklungsdefizite äußern sich besonders schnell und stark im Leistungsbereich. Dementsprechend muss dem schulischen und Ausbildungsbereich eine große Bedeutung beigemessen werden. Mit den Schulen am Ort erörtern wir in regelmäßigen Kontakten alle auftauchenden Fragen. Schulischen Schwierigkeiten der Kinder versuchen wir durch gezielte Überwachung der Schulaufgaben und Anleitung zu deren Bewältigung zu begegnen. Kinder mit hartnäckigen Schulproblemen sind in der Regel tief entmutigte Kinder. Nur mit Leistungsanforderung kann ihnen oft bei der Bewältigung der Probleme nicht ausreichend geholfen werden. Ihr Selbstwertgefühl muss zuerst so weit geschaffen und stabilisiert werden, dass sie sich Leistung (wieder) zutrauen. Gezielte und individuelle Nachhilfe kann dann nutzbringend eingesetzt werden und wird im Einzelfall ebenfalls zur Verfügung gestellt.

Bei der Arbeit für das Ziel, schulische Schwierigkeiten und Leistungsdefizite aufzuarbeiten, darf auf der anderen Seite nicht außer Acht gelassen werden, dass Schulversagen häufig nicht das eigentliche Problem darstellt, sondern nur das Symptom für tiefer liegende Probleme ist. Daher ist es für uns von großer Bedeutung, bei vorliegendem Schulversagen im Einzelfall zu überprüfen, ob dieses das Problem ist und ihm durch geeignete Hilfsmittel im kognitiven Bereich begegnet werden soll oder ob sich Persönlichkeitsdefizite elementarer Art dahinter verbergen. In diesem Fall ist es für die pädagogische Arbeit von entscheidender Wichtigkeit, nicht am Symptom, sondern den dafür verantwortlichen Grundlagen zu arbeiten, und sei es u. U. um den Preis des vorübergehend weiterhin vorhandenen Schulversagens. Ein anderes Vorgehen würde dem Kind nicht gerecht und es überfordern.

Nach unseren bisherigen Erfahrungen ist es nicht immer ganz einfach, für diese Sichtweise und dieses Vorgehen das Verständnis der beteiligten Schulen und Lehrkräfte zu erhalten. Wir verstehen umgekehrt die oftmals schwierige Situation, in der Lehrerinnen und Lehrer stehen, wenn sich in ihrer Klasse verhaltensschwierige Kinder befinden und sind uns bewusst, dass wir zu dieser Situation beitragen. In den Gesprächen mit den Schulleitungen, den Lehrerinnen und Lehrern verfolgen wir daher nicht nur das Ziel der Leistungsüberprüfung und Verhaltenskontrolle, sondern sehen darin die Aufgabe, die beteiligten Lehrkräfte mit Informationen zu versehen, die für das Verständnis des Kindes und für ein abgestimmtes Vorgehen bedeutsam sind.

Mitte der 80er-Jahre konnte in der Jugendhilfe festgestellt werden, dass der Altersdurchschnitt der Bewohner von Kinder- und Jugendheimen stark angestiegen war. Das bedeutete, dass in großer Anzahl Jugendliche in Heimen wohnten, die ihre Pflichtschuljahre absolviert hatten und auf dem Lehrstellen und Arbeitsmarkt vor großen Problemen standen. Zwischenzeitlich war es sehr zu begrüßen, dass in dieser Hinsicht eine spürbare Änderung zu beobachten war. Der Altersdurchschnitt war für einige Jahre deutlich gesunken. Es wurden damit die Bedingungen, Kinder und Jugendliche zu einem Schulabschluss zu führen, deutlich verbessert. Seit einigen Jahren können wir beobachten, dass das Aufnahmealter und das Durchschnittsalter der bei uns wohnenden Jugendlichen wieder stark ansteigt, wodurch die Schwierigkeiten zunehmen, den pädagogischen Erfordernissen gerecht zu werden.

Ein Großteil der schulentlassenen Jugendlichen (auch die, die ihre letzten Schuljahre bei uns verbrachten) stehen vor der Situation, dass sie mit einer regulären Berufsausbildung (zunächst) überfordert sind. Berufsfördernde Maßnahmen und Lehrgänge, wie sie in großer Anzahl angeboten werden, können in Einzelfällen die geeignete Hilfe darstellen, sind aber nicht die generelle Alternative und Lösung. Die Jugendhilfe hat daher die Aufgabe, in jedem Einzelfall frühzeitig während der letzten Schuljahre damit zu beginnen, einen Plan für schulische Weiterbildung, berufliche Ausbildung oder Integration in ein Arbeitsverhältnis zu entwerfen und damit einen Weg in eine sinnvolle Betätigungsperspektive zu eröffnen. Durch Kontakt zu den am Ort und in der näheren Umgebung ansässigen Handwerks- und Gewerbebetriebe streben wir an, dass den Jugendlichen aus dem EIDERHAUS Praktikums- und Ausbildungsplätze und evtl. auch längerfristige Beschäftigungen ohne festes Ausbildungsverhältnis bereitgestellt werden können. Außerdem beschäftigen wir eine Hauswirtschaftsmeisterin. Dadurch können zwei Ausbildungsstellen im Haus für den Beruf der Hauswirtschafter/in, bzw. Hauswirtschaftshelfer/in zur Verfügung gestellt werden. Für eine begrenzte Anzahl von Jugendhilfefällen (maximal zwei gleichzeitig) können wir ein eigens auf die individuelle Situation zugeschnittenes Arbeitstrainingsprogramm anbieten.